AW: So many books, so little time
ich bin noch nicht fertig ;)
ich mag dieses spiel mit der erzähler-figur, die wir sozusagen beim schreiben und nachdenken erleben. natürlich ist die figur etwas verrückt. ich freu mich dabei auch schon auf die fassbinder-verfilmung davon (eine reise ins licht), die ich mir gleich im anschluss anschauen werde.
AW: So many books, so little time
short cuts - selected stories von raymond carver.
AW: So many books, so little time
nach der tod in rom von wolfgang koeppen jetzt mit eine liebe swanns von marcel proust angefangen, welche sich stilistisch quasi konträr gegenüber stehen. übrigens ist mir das sehr wichtig, möglichst nicht zwei "ähnliche" bücher, sondern lieber zwei konträre aufeinander folgen zu lassen, also was epoche/alter, thematik und vor allem wohl stil betrifft. das ist wohl die einzig sinnvolle anwendung von klappentexten, dass sie einem nach einiger zeit recht verlässlich erschließen lassen, wie weit das buch in meinen händen vermutlich dem vorherigen (nicht) ähnelt.
also eine liebe swanns - da bin ich baff. mein erstes buch von proust und ich liebe es gleich so sehr, dass es mich schmerzt, französisch nicht gut genug zu beherrschen. da steckt wirklich viel drin, was ich so oder so ähnlich nur von späteren autoren kannte. sehr zu empfehlen, auch wenn vorurteile ("muss man mal gelesen haben") vielleicht erst abschrecken. äußerst ironischer erzählstil insbesondere in der distanzierten gesellschaftsbeschreibung, dann hinsichtlich der gefühle zwar nicht minder (jedoch subtiler) ironisch und hierbei aber sowas von in die fresse schlagend. :poo:
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heinrich detering - bob dylan.
für mich als ahnungslosen eine interessante lektüre.
AW: So many books, so little time
Zitat:
Zitat von
David
also eine liebe swanns - da bin ich baff. mein erstes buch von proust und ich liebe es gleich so sehr, dass es mich schmerzt, französisch nicht gut genug zu beherrschen. da steckt wirklich viel drin, was ich so oder so ähnlich nur von späteren autoren kannte. sehr zu empfehlen, auch wenn vorurteile ("muss man mal gelesen haben") vielleicht erst abschrecken. äußerst ironischer erzählstil insbesondere in der distanzierten gesellschaftsbeschreibung, dann hinsichtlich der gefühle zwar nicht minder (jedoch subtiler) ironisch und hierbei aber sowas von in die fresse schlagend. :poo:
Wo siehst du denn die Ironie im Erzählstil?
AW: So many books, so little time
zunächst ist das wirklich beobachtung und analyse, was das gesellschaftsleben, und allwissende aufdeckung, was die gefühlswelt einer person betrifft. aber was dabei zu tage tritt, zum beispiel das egozentrische possenspiel der verdurins (die anderen sind langweiler) oder die dekadente verschwendung jeglichen talents bei swann (die trägheit des geistes), vor allem jedoch, dass all das keinerlei konsequenzen hat, dass in einer blase gelebt wird (ich bin bei der hälfte angelangt und es wurde bisher kein einziges mal über den gesellschaftlichen tellerrand geblickt), lässt in meinem kopf das bild von dem entstehen, was fin de siècle gewesen sein muss. ok, die ironie entsteht damit eher für mich als leser, wenn ich das erzählte reflektiere. aber ich denke trotzdem, dass auch der erzähler selbst den figuren ironisch (oder satirisch, was auch immer) gegenübersteht, ebenso der gesellschaft, er ist ja allwissend.
wenn ich das so sage, ist ausschlaggebend, dass die figuren untereinander zwar positiv aufeinander wirken, dass "gute seiten" einer person wichtig sind (z.b. swanns begeisterung für odette), dass der erzähler diese positiven bewertungen der figuren untereinander aber dadurch karikiert, dass er eigentlich immer nur das schwache, schlechte eines charakters gelten lässt (swann ist vor allem von odette begeistert, weil er sich dran aufgeilen kann, dass sie nicht besonders hübsch ist und er mal so ein mädchen haben will, weil er satt ist von den schönheiten, die er immer haben kann). außerdem wird ja oft auch swanns kritische geisteshaltung gegenüber der gesellschaft zur sprache gebracht, aber er tut ja nichts, er bleibt einfach drin stecken.
AW: So many books, so little time
Hm... Ich glaub eigentlich nicht, dass die Analyse und Schilderung der Gesellschaft Hauptintention von Proust ist. Es ist Teil des ganzen und gehört so auch geschildert, weil es eben das Umfeld ist, in dem sich die Liebe Swanns abspielt, aber wenn du mich fragst ist es als solches mehr oder weniger austauschbar. Vielleicht argumentier ich da aber auch mehr von der ganzen Recherche aus, wenn man Eine Liebe Swanns für sich liest, bekommt man wahrscheinlich einen anderen Eindruck, als wenn man es im Kontext liest. So z.B. von wegen allwissender Erzähler: Den gibt es in der Recherche so ja eigentlich nicht; ist auch eigentlich ein Bruch in der Logik, dass der Ich-Erzähler das alles wissen soll, was er in der Liebe Swanns erzählt.
Jedenfalls... glaub ich nicht, dass es diesem darum geht, zu ironisieren, denn das setzt ja vorraus, dass man etwas erst einmal zu verstehen und dann darüber zu stehen glaubt. Ich empfinde das aber ganz im Sinne des Titels als eine Suche: Diese Gesellschaft, das aristokratische und irgendwie snobistische Umfeld mit ihren Egomanen und Macken und Fehlern etc. hat sich Marcel nicht ausgesucht, er ist da nunmal geboren, hat da gelebt, und irgendwo mitten darin gibt es irgendetwas unsagbar kostbares, das er mühsam, Stück für Stück, herauszuschälen sucht - nicht mit platter Poesie, sondern mit penibel genauer Beobachtung und Beschreibung. Dass er dabei rücksichtslos die Irrationalitäten, Verrücktheiten und verschiedenen Arten des Selbstbetrugs aufdeckt, mag mancher für bissig oder ironisch halten, ich finde es macht diesen Kern, um den es geht, nur glaubhafter und schöner.
Also ich glaub es geht gar nicht darum, über irgendeinen gesellschaftlichen Tellerand zu blicken, genausowenig wie es später wirklich um die politische Auseinandersetzung der Dreyfus-Affäre geht - das würde den Blick nur unnötig ablenken, denn das, was "gesucht wird", worum es geht, spielt sich nunmal in dieser Blase ab. Wenn das nicht mehr der Fall wird, werden auch andere Schichten miteinbezogen: Im zweiten Band eine Bande vulgärer Mädchen, im Dritten eine Hure.
Bin natürlich etwas im Nachteil, weil ich auf Französisch lese, und so erstens vom Klang der Sprache sicher hin und wieder verführt werde und zweitens andere Ebenen wie Ironie etc. schwerer erkennen kann - auch nicht immer alles verstehen kann.
AW: So many books, so little time
ich hab mir heute ein kleines Büchlein gekauft, Mängelexemplar, deshalb sehr günstig: und zwar John Steinbecks Tortilla Flat. Im Zug las ich dann die ersten beiden Kapitel und mochte es auf Anhieb! :)
AW: So many books, so little time
Zitat:
Zitat von
simon
Hm... Ich glaub eigentlich nicht, dass die Analyse und Schilderung der Gesellschaft Hauptintention von Proust ist. Es ist Teil des ganzen und gehört so auch geschildert, weil es eben das Umfeld ist, in dem sich die Liebe Swanns abspielt, aber wenn du mich fragst ist es als solches mehr oder weniger austauschbar. Vielleicht argumentier ich da aber auch mehr von der ganzen Recherche aus, wenn man Eine Liebe Swanns für sich liest, bekommt man wahrscheinlich einen anderen Eindruck, als wenn man es im Kontext liest. So z.B. von wegen allwissender Erzähler: Den gibt es in der Recherche so ja eigentlich nicht; ist auch eigentlich ein Bruch in der Logik, dass der Ich-Erzähler das alles wissen soll, was er in der Liebe Swanns erzählt.
Jedenfalls... glaub ich nicht, dass es diesem darum geht, zu ironisieren, denn das setzt ja vorraus, dass man etwas erst einmal zu verstehen und dann darüber zu stehen glaubt. Ich empfinde das aber ganz im Sinne des Titels als eine Suche: Diese Gesellschaft, das aristokratische und irgendwie snobistische Umfeld mit ihren Egomanen und Macken und Fehlern etc. hat sich Marcel nicht ausgesucht, er ist da nunmal geboren, hat da gelebt, und irgendwo mitten darin gibt es irgendetwas unsagbar kostbares, das er mühsam, Stück für Stück, herauszuschälen sucht - nicht mit platter Poesie, sondern mit penibel genauer Beobachtung und Beschreibung. Dass er dabei rücksichtslos die Irrationalitäten, Verrücktheiten und verschiedenen Arten des Selbstbetrugs aufdeckt, mag mancher für bissig oder ironisch halten, ich finde es macht diesen Kern, um den es geht, nur glaubhafter und schöner.
Also ich glaub es geht gar nicht darum, über irgendeinen gesellschaftlichen Tellerand zu blicken, genausowenig wie es später wirklich um die politische Auseinandersetzung der Dreyfus-Affäre geht - das würde den Blick nur unnötig ablenken, denn das, was "gesucht wird", worum es geht, spielt sich nunmal in dieser Blase ab. Wenn das nicht mehr der Fall wird, werden auch andere Schichten miteinbezogen: Im zweiten Band eine Bande vulgärer Mädchen, im Dritten eine Hure.
Bin natürlich etwas im Nachteil, weil ich auf Französisch lese, und so erstens vom Klang der Sprache sicher hin und wieder verführt werde und zweitens andere Ebenen wie Ironie etc. schwerer erkennen kann - auch nicht immer alles verstehen kann.
kann sein, dass, ganz im gegenteil, ich etwas im hintertreffen bin: ich bin ja grade mal bei der hälfte angelangt.
ganz interessant fand ich: das klingt so, als setztest du proust mit dem ich-erzähler gleich, stimmt das?
dass es dabei, trotz (vermeintlicher) charakterentblößungen letztendlich um die menschen geht und aus prousts schreiben liebe/bereitschaft zur liebe für die menschen spricht, davon bin ich auch auf anhieb überzeugt.
auch das mit dem "allwissenden ich-erzähler" muss gar nicht so sein, hab ich mir nochmal überlegt, schließlich ist das ja sozusagen rückblickend niedergeschrieben und demnach könnte der erzähler ja auch alles von anderen leuten in erfahrung gebracht und dann niedergeschreiben haben können.
kommt für mich jedenfalls in eine riege mit thomas mann oder arthur schnitzler, dieser schreibstil, was mir sehr zusagt.
AW: So many books, so little time
Dann sind wir uns ja alles in allem doch recht einig.
Jedenfalls... mit dem Ich-Erzähler: Nein, den mit Proust gleich zu setzen würd ich mich eigentlich hüten. Mag es gar nicht gern, Literatur biographisch zu erklären. Und ich weiß auch zu wenig über Prousts Leben, um sowas behaupten zu können. Falls du wegen "Marcel" fragst: so wird der Ich-Erzähler soweit ich weiß an einer (!) Stelle genannt.